Dienstag, 20. Oktober 2015

Orientation Week

Definition: eine entweder von der Austauschorganisation oder, hier in Kanada häufig vom school district oder von der Schule selbst organisierte Eingewöhnungswoche.

Was macht man da so?

Kommt ganz drauf an, Leute, die in die USA gehen, haben oftmals einige Tage in New York oder an irgendeinem anderen megaaaaaa coolen Ort.
In meinem Fall hieß Orientation vor allem: In der Schulcafeteria sitzen und Erwachsenen dabei zuhören, wie sie dich über alles Mögliche belehren.

Als ich am Montagmorgen, meinem dritten richtigen Tag in New Westminster, zur Schule gekommen bin, war mein erster Gedanke, dass ich ja eigentlich nach Kanada hatten gehen wollen und nicht nach Asien. Das klingt jetzt doof, ich weiß.
Aber von den 150 Austauschschülern an der NWSS sind bestimmt 120 aus China, Korea und Japan.
Und im allerersten Moment war das schon ein komisches Gefühl.
Wir mussten dann English und Math assessments machen und dann war der erste Tag auch schon rum.

Ab dem zweiten Tag waren wir dann in der Cafeteria und alle, die nicht aus Asien waren, haben sich ziemlich schnell um einen Tisch versammelt. Brasilianer, Mexikaner, Deutsche, ein Mädchen aus dem Iran.
Wir haben uns alle super verstanden, natürlich, wir waren ja alle in derselben Situation; Angst, keine Freunde zu finden, Unsicherheit, Sprachschwierigkeiten, Ankunftsheimweh...
An diesem Tag wurden vorwiegende administrative Sachen besprochen, aber da es der erste Tag war, haben wenigstens noch alle zugehört :D

Mittwoch stand dann ein Ausflug an, auf den Grouse Mountain.
Ich lass hier gleich die Bilder sprechen, die Shows waren sehr touristisch angelegt, was auch sonst, aber es war dennoch eine gute Möglichkeit, die anderen Internationals besser kennenzulernen.

Ich weiß auch nicht, warum die Bilder so verzerrt sind,
aber der Parkplatz kurz nach der Ankuft

Unser Bus

Von links nach rechts: Mexiko, China, Japan und Deutschland
sehr international :D

Motivierte, frierende Austauschschüler :D

Rehe in freier Wildbahn

Schwarzbären in nicht ganz so freier Wildbahn

Blick über Vancouver, von der Gondel aus
Leider war das Wetter an dem Tag nicht ganz so gut, oben auf dem Berg hat es sogar gehagelt und ich glaub, wir alle waren zu dünn angezogen, aber es war dennoch ein wundervoller Tag.

Anschließend bin ich mit einigen Mexikanern zum ersten Mal nach Metrotown,
eine unfassbar riesige Mega-Mall gefahren, erstes Mal Skytrain,
das war schon ein kleines Abenteuer.

Donnerstag und Freitag wurde wieder nur referiert, mit abnehmender Zuhörerzahl
und am Ende der Woche gab es dann eine Pizza-Lunch-Party (yey)
und ich konnte voller Stolz behaupten, mit 10 Mexikanern, 4 Deutschen, 4 Japanerinnen, 2 Brasilianerinnen und einer Iranerin Bekanntschaft gemacht zu haben.
5:48 am.

Austauschschüler werden üblicherweise vor dem 3-Monate-Tief gewarnt.
Ein Zeitraum, nachdem man sich so sehr an sein neues Leben gewöhnt hat,
dass einem die negativen Sache immer mehr ins Augen fallen,
ein Zeitraum, nachdem der Alltagstrott eingesetzt hat
und einem auffällt, wie viel besser manche Dinge doch zu Hause sind.

Gut, ich bin noch nicht mal ganz zwei Monate hier,
aber irgendwie... Hab ich das nicht.

Mir geht es hier nach wie vor fantastisch,
ich hab mittlerweile sowohl kanadische als auch internationale Freunde gefunden,
mit meiner Gastfamilie läuft auch alles super
und über mein Englisch kann ich eigentlich auch nicht klagen,
gestern waren hier Wahlen zum Prime Minister und ich hab tatsächlich jedes Wort der Reden verstanden.

Abgesehen davon hab ich hier auch beinah jeden Tag was vor,
letzte Woche war ich beispielsweise bei einem Eishockey-Spiel
und hab einen Ausflug nach Victoria, die Hauptstadt von British Columbia,
auf Vancouver Island gelegen, gemacht,
heute geh ich ins Kino und mit den Mexikanern Schwimmen
und und und.

Was das Wetter betrifft macht sich hier langsam die vancouverianische Regenzeit bemerkbar - ich muss mir dringend Gummistiefel und nen Regenschirm kaufen...
Bisher macht mir der Regen aber noch nicht so viel aus, immerhin hat man dann kein schlechtes Gewissen mehr, wenn man den ganzen Tag Filme guckt, hehe.

Außerdem hatte ich letzte und diese Woche nur 4 Tage Schule,
einmal wegen Thanksgiving und dann wegen eines BC-weiten Pro-D Days, Weiterbildungstag für Lehrer.
Ansonsten ist Schule eigentlich sehr entspannt, wobei die Projekte hier wesentlich zeitaufwendiger und gehäufter sind, als in Deutschland.
(Eine Freundin hat mir erzählt, dass im Curriculum wohl 3 Pflichtprojekte pro Semester pro Fach vorgeschrieben sind - macht mindestens 12, uff.)
Englisch gefällt mir hier wesentlich besser, weil wir weniger interpretieren müssen und der persönliche Anteil größer ist, als in Deutschland.
Mein Englischlehrer meinte gestern allen Ernstes, wir sollten die Aufgaben mit den Stilmitteln und der Erzählerperspektive doch bitte außer Acht lassen, das hätten sie noch nicht gemacht - Rebeca, die Brasilianerin, und ich haben uns nur angeguckt, weil wir beide das schon irgendwann in den vergangenen Jahren im Englischunterricht hatten, aber gut.
Psychologie ist wirklich sehr interessant, ich bin unheimlich froh, dass ich das gewählt hab,
im Gegensatz zu Spanisch, wo mich die Unterrichtsweise, aber auch meine Klasse eher weniger glücklich macht.
Ich will einfach die Sprache lernen und nicht die ganze Zeit irgendwelche dämlichen Spiele spielen oder mir bei den einfachsten grammatikalische Konstruktionen "That's SO difficult, Mr. X" anhören müssen... Naja, vielleicht bin ich da auch ein bisschen aus der Reihe.

Im Allgemeinen muss ich jetzt, nach knapp zwei Monaten Auslandserfahrung feststellen,
dass mich mein Leben hier so dermaßen in Anspruch nimmt,
dass das mit dem regelmäßigen Bloggen nicht ganz klappt
und wieder einmal kann ich mich nur dafür entschuldigen
und für die Zukunft Besserung geloben,
wohl wissend, dass das eine kleine Herausforderung wird.
Wer weiß, vielleicht kommt ja doch noch das 3-Monate-Tief und ich sitz dann den ganzen Tag zu Hause und hab nichts besseres zutun, als ausführlich über die vergangene Zeit zu berichten.

Bis dahin versuche ich, etwas häufiger was zu posten und vor allem auch Bilder zu schicken.
Wirklich.

Sonntag, 20. September 2015

Sonntagabend.
Es ist 21 Uhr hier, in Deutschland klingeln jetzt gerade die ersten Wecker,
zu Hause beginnt ein neuer Montag, eine neue Woche und ich...
Noch immer völlig geplättet von diesem Tag, diesem Wochenende.
Ich habe lange nichts von mir hören lassen.
Und das tut mir wirklich Leid.
Aber, und ich sage das ohne mich rechtfertigen zu wollen,
ich habe schlicht und einfach nicht damit gerechnet,
hier SO viel zu erleben.
Trotzdem hab ich mir vorgenommen, von jetzt an wieder geordneter und regelmäßiger zu posten.
Und zwar wirklich :D

Ich werde für alle größeren Ereignisse einen Extra-Post machen, damit es nicht so elendig viel auf einmal zu lesen ist, aber für's erste will ich hier einfach nur festhalten,
dass ich glücklich bin,
unbeschreiblich glücklich.
Klar, es gibt Momente, in denen ich mir denke, dass es jetzt wesentlich einfacher wäre, wenn ich in Deutschland wäre (insbesondere während und nach den jedes Mal äußerst ernüchternden Ausflügen in diverse Shopping-Malls - als Austauschschüler fühlt man sich einfach dauerhaft arm.)
Aber im Allgemeinen und ganz besonders heute
bin ich einfach nur unsagbar froh,
hier zu sein.

Das fängt mit der Stadt an, Vancouver ist wunderschön und das ist nicht nur so dahergesagt.
Geht mit der Schule weiter, denn die Atmosphäre ist hier wirklich anders als in Deutschland.
Die Sprache.
Mein verändertes Zeitverständnis.
All die Möglichkeiten, die ich habe.
All die Dinge, die ich ausprobieren kann.
Und, weil das Beste zum Schluss kommt,
die Menschen, die ich hier kennengelernt habe.
Denn es sind natürlich nicht nur die Kanadier.

Dieser Austausch, auch wenn er erst drei Wochen dauert, hat mein Verständnis von allen möglichen Kulturen dieser Welt grundlegend verändert.
Und ich weiß nicht, ob ich jemals in Worte fassen kann, wie dankbar und froh ich bin,
hier sein zu dürfen, hier sein zu können.
Dieses Jahr ist das Richtigste, was mir passieren konnte.